Das gab es im Erzähl-Café noch nicht so oft: Der Erzähler steht noch in der Tür zum gemütlichen Gewölbekeller des Caritashauses, da wird er schon mit begeistertem Applaus empfangen. Kurt Rathgeber, das ist einer von ihnen, den kennen und mögen sie alle. Auch jahrgangsmäßig liegen die meisten Zuhörer dicht bei ihm, sodass ihre Gedanken mit zurückgehen können in eine Kindheit, die 1937 im alten Neuscht in der Steingasse begann. Sie kennen auch all die Namen, die Kurt Rathgeber in seiner humorvollen Art aus seiner Nachbarschaft in Erinnerung ruft, und können heute fröhlich mitsingen bei einem Schlager, der damals aus der Not geboren wurde. Nach der Melodie von Lilli Marleen wird der Gang zum Metzger beschrieben: „Und alle Leute sollen seh'n wie wir beim Bardroff Schlange steh'n für Wurst, das Pfund ?ne Mark und zehn“. Zu recht vielen Stichworten fallen Rathgeber solche netten Refrains ein und er gibt sie in der amüsierten Runde zum Besten. Vor seinem inneren Auge rollt der Fußball durch Steingasse und Schuhmarktstraße, die in den Vierzigern noch Spielplatz waren. „Die Stadtmauer gehörte uns auch“, schmunzelt Rathgeber beim Gedanken an manche Klettertour. Weitere Attraktion in der Steingasse war die Badeanstalt Müller mit drei oder vier Wannen, in denen man für 50 Pfennige ein Bad nehmen konnte. Außerdem wohnte dort die Hebamme Bulheller: „Die hat uns alle auf die Welt gebracht.“ 60 Jahre verheiratetWenn Kurt Rathgeber an seine Schulzeit denkt, fallen ihm Lehrer ein, die angeschlagen aus dem Krieg kamen und besser nicht mehr unterrichtet hätten. In der achten Klasse lernte er seine Frau Edeltraud kennen, mit der er mittlerweile seit 60 Jahren verheiratet ist. Sein beruflicher Weg begann mit der Ausbildung zum Autoschlosser bei Ford Wirsing (heute ist an dieser Stelle die Feuerwehr beheimatet), gegenüber war die Tankstelle Rietsch, an die sich die meisten im Erzähl-Café erinnerten. Anekdote für Anekdote nahm Rathgeber seine Zuhörer mit durch sein Leben und auf seine Fahrten als Chef-Fahrer bei Preh und sang davon, dass er noch zu denen gehörte, die für die Spielvereinigung Bad Neustadt in den Farben Grün und Weiß auf dem Spielfeld für die Ehre der Stadt eintraten. Für seinen Führerschein hatte Rathgeber im Jahr 1955 bei Kuhns Oskar übrigens nur drei Fahrstunden nehmen müssen… Eine gute Tat zu BeginnBegonnen hatte die muntere Plauderstunde mit einer guten Tat. Moderator Wolfgang Kitscha überreichte im Namen des Erzähl-Café-Teams 250 Euro an Angelika Ochs, die Geschäftsführerin des Kreiscaritasverbands, damit von dem Erlös des Kaffee- und Kuchenverkaufs Bedürftigen geholfen werden kann.
Quelle: http://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/Badeanstalten-Erzaehler-Heiraten-Klettertouren;art765,9795294
© Main-Post 2017 / Karin Nerche-Wolf
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Anekdote für Anekdote durchs alte Neuscht
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