Wer aus dem Ausland nach Deutschland kommt, ist zunächst mit vielen Eindrücken konfrontiert. Ein neues Land mit unbekannten Strukturen, eine andere Sprache und eine fremde Kultur gilt es kennenzulernen. Das ist schon eine Herausforderung. Und dann kommen noch Behördengänge hinzu und das Ausfüllen von Formularen, was auch vielen Deutschen schon schwerfällt. Um mit all diesen Angelegenheiten nicht allein dazustehen, gibt es die "Flüchtlings- und Integrationsberatung" der Caritas Rhön-Grabfeld. Untrennbar mit dieser Anlaufstelle verbunden war bisher die 67-jährige Maria Kaparulin, die jedoch zum Jahresende 2019 in den Ruhestand geht. Seit 1998 war sie bei der Caritas an verschiedenen Stellen tätig, jedoch immer mit dem Fokus auf Migration und Integration.
Kaparulin war für diese Aufgabe prädestiniert: Denn wenn sie die Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern in Migrations- und Alltagsfragen beriet, wusste sie aus eigener Erfahrung, wie diese sich fühlten. Sie und ihre Familie waren im Jahr 1993 aus Sibirien nach Deutschland übergesiedelt und mussten sich ebenfalls eine neue Existenz aufbauen. Der Grund für das Verlassen von Russland war die Angst davor, dass ihre beiden Söhne in die Armee einberufen werden, erklärte Kaparulin im Gespräch mit dieser Redaktion. Ihre Vorfahren waren vor mehr als zweihundert Jahren zur Zeit Katharina der Großen genau den umgekehrten Weg gegangen: Sie waren dem Aufruf an Ausländer, nach Russland einzuwandern, gefolgt und verließen Deutschland. Deswegen fühle sie sich wie eine Deutsche aus Russland, Deutschland sei mittlerweile ihre Heimat geworden.
Kaparulin lag eine spielerische Integration über Aktivitäten am Herzen
In der Sowjetunion hatte Kaparulin Lehramt studiert und war von 1977 bis 1993 als Lehrerin für Geographie und Biologie an einer Schule auf Realschulniveau tätig. In Deutschland wurde ihr der Studienabschluss auch formal anerkannt, sie hätte aber noch Praktika und zusätzliche Prüfungen absolvieren müssen, um ihrem alten Beruf weiterhin nachgehen zu können. Das wollte sie aber sowieso nicht mehr und arbeitete die ersten vier Jahre als Reinigungskraft. Bis sie im September 1998 zur Caritas Rhön-Grabfeld kam. Sie begann im Fachbereich Aussiedlerberatung und verantwortete dort den neuen Schwerpunkt Integrationsarbeit.
Während die ersten Jahre der Beratung und Betreuung den Neuankömmlingen und deren Existenzsicherung galt, entstand unter der aktiven Mitarbeit von Kaparulin als neuer Schwerpunkt die Integrationsarbeit, resümierte Angelika Ochs, die Geschäftsführerin des Caritasverbandes für den Landkreis Rhön-Grabfeld. Ziel sei es hierbei gewesen, Einheimische und Aussiedler einander näher zu bringen und Verständnis füreinander zu wecken. Der Gedanke von Kaparulin sei eine spielerische Integration über Aktivitäten und Angebote gewesen, die nicht nur Spaß machen, sondern auch zum Mitmachen einladen, fügte Ochs hinzu. Sie lobte Kaparulins Kompetenz und ihr Fingerspitzengefühl bei der Vermittlung zwischen den Mentalitäten und Bedürfnissen der unterschiedlichen Lebensweisen.
Das Aufgabengebiet Kaparulins wurde über die Jahre immer umfangreicher
Die baldige Ruheständlerin bilanzierte selbst, dass ihr Job sehr bereichernd gewesen sei, immer interessant und viel Abwechslung geboten habe. Durch viele Veränderungen - aufgrund neuer Zuständigkeiten wegen Stellenwechsel und auch von gesetzlicher Seite her. Von Beginn ihrer Caritas-Laufbahn an bis 2011 war sie hauptsächlich für Russlanddeutsche zuständig, ab 2011 zusätzlich noch für EU-Bürger und anerkannte Ausländer. 2015 kamen noch anerkannte Flüchtlinge zum Aufgabengebiet hinzu, Anfang 2018 sogar noch Flüchtlinge ohne Anerkennung. Sie sei immer gerne auf die Arbeit gegangen und habe fast nur positive Erfahrungen bei ihren Beratungen gemacht. Kaparulin freue sich immer darüber, wenn sie von Menschen, denen sie bei ihrem Start in Deutschland geholfen hat, auf der Straße erkannt und angesprochen werde.
Ab Anfang Januar 2020 kann sie nun nicht nur ihre zwei Enkelkinder häufiger sehen, sondern auch mehr ehrenamtliche Tätigkeiten übernehmen. Außerdem will sie Spanisch lernen und beispielsweise die spanischsprachige Insel Teneriffa bereisen, die sie wegen der Menschen und Natur sehr fasziniert. Und möglicherweise wird sie auch einen ihrer Träume in die Tat umsetzen: Ethnographie zu studieren.
©Andreas Greubel / Rhön- und Saalepost