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Bad Neustadt (POW) Caritas und Pastoral enger miteinander vernetzen und dabei im Blick haben, was die Menschen vor Ort brauchen: Darum geht es bei der Sozialraumorientierung, auf die Bischof Dr. Franz Jung im Bistum Würzburg setzt. Wie das in der Praxis aussehen kann und wie eine Vernetzung auch mit kommunalen Gruppen gelingen kann, darüber informieren Bistum und Caritas derzeit bei Werkstattabenden in jedem der neun neuen Dekanate. Es geht dabei unter anderem um die Beziehungsebene, die Grundlage aller seelsorglichen und caritativen Tätigkeiten.

Rund 40 Personen aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld haben im Pfarrzentrum Mariä Himmelfahrt in Bad Neustadt an einer solchen Veranstaltung mit Landvolkseelsorger Pastoralreferent Wolfgang Scharl und Christiane Holtmann vom Referat Sozialpastoral und Engagementförderung beim Diözesan-Caritasverband teilgenommen. „Zentraler Ausgangspunkt sind nicht mehr vorrangig die kirchlichen Inhalte und Angebote, sondern die Lebenssituation der Menschen im jeweiligen sozialen Raum mit ihren konkreten Anliegen und Bedürfnissen“, erklärten die beiden Referenten. Zugleich verwiesen sie darauf, dass nicht jeder geographische Raum automatisch auch ein Sozialraum sei. Erst wenn dort individuell bedeutsame Beziehungen für die dort lebenden Menschen bestünden, spreche man von einem Sozialraum. Das könne die Arbeitsstätte sein, der Jugendtreff, ein Krankenhaus oder eine Schule. „Es geht bei Sozialraumorientierung darum, die Menschen zu ermutigen und dabei zu unterstützen, ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen wahrzunehmen und gemeinsam ihr Lebensumfeld gut und lebenswert zu gestalten.“

Das sei nicht etwas Zusätzliches oder gänzlich Neues, jedoch ein grundlegender Perspektivwechsel: Es sollten nicht von außen Angebote vorgegeben, sondern umgekehrt auf die Interessen der Menschen eingegangen werden. Das Evangelium vom blinden Bartimäus sei hierfür das Rollenmodell. Jesus fragt diesen darin: „Was willst du, dass ich dir tue?“ Und auf die Antwort des Bartimäus sagt Jesus: „Geh!“ Diese Aufforderung zum Tun stehe für die zweite bei dieser Haltung immer zu stellende Frage: „Was bis du bereit für dein Bedürfnis zu tun?“ So helfe die Sozialraumorientierung ganz konkret, Prioritäten zu setzen, den Blick auf die Gegenwart und die Zeichen der Zeit zu richten und auch den Mut zu haben, etwas zu lassen, um neuen Spielraum zu gewinnen.

Einer sozialraumorientierten Pastoral gehe es darum, in Verbindung mit anderen sozialen Akteuren vor Ort die Anliegen und Bedürfnisse wahrzunehmen, mit ihnen gemeinsam hilfreiche Antworten zu finden und umzusetzen und so den Sozialraum der Menschen in Verkündigung und Liturgie, im Dienst am Nächsten und der Pflege der Gemeinschaft positiv zu gestalten.

Wie die jeweiligen Sozialräume identifiziert und Bedürfnisse benannt werden können, dafür lieferten Scharl und Holtmann gleich ein ganzes Bündel an Beispielen. Das kann in kurzen Gesprächen mit einzelnen Personen erfolgen, bei einem Gemeinderundgang in kleinen Gruppen oder auch beim gemeinsamen Überlegen anhand einer Karte des jeweiligen Ortes. In der umfangreichen Materialmappe enthalten sind zudem Fragebögen, mit deren Hilfe Ehren- und Hauptamtliche in den kirchlichen Gemeinden sich Gedanken zu den sozialen und auch spirituellen Bedürfnissen in ihrem Dorf oder Stadtteil machen können.

In vier Gruppen machten sich die Frauen und Männer – kommunale Mitarbeiter und solche anderer Institutionen und des Landkreises, Seelsorger, Caritas-Mitarbeiter und Mitglieder von Stadt- und Pfarrgemeinderäten – Gedanken, welche sozialen Bedürfnisse sie in ihren Orten kennen, welche Unterstützung Seniorinnen und Senioren brauchen oder was für Familien Anliegen sind. Mitunter wurde es ganz konkret: So könne der Simonshof bei Bastheim ein Treffpunkt für die Menschen aus der Umgebung sein, an dem Andachten, aber auch Konzerte oder ein Freiluftkino angeboten werden. Eine Erkenntnis des Plenums, die auf viel Zustimmung stieß, war, dass eine gute Vernetzung aller Akteure wichtig sei und auch das Engagement der Ehrenamtlichen wertgeschätzt werden müsse.

„Ich nehme mit, dass es wichtig ist, mehr auf die Bedürfnisse der Menschen zu schauen“, attestierte am Ende der Veranstaltung eine Teilnehmerin stellvertretend für viele. „Das Thema ist spannend. Sozialraumorientierung ist gar nicht so trocken und abstrakt, wie es der sperrige Begriff vermuten lässt. Ich hoffe, dass es bald eine weitere Veranstaltung gibt, die das Thema fortführt“, sagte ein Teilnehmer unter dem Applaus der Runde.

Von Markus Hauck (POW)

  

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