Die bundesweiten Kampagnen der Caritas greifen in jedem Jahr aktuelle soziale Themen auf. Sie wollen aufmerksam machen auf Menschen in Not oder Entwicklungen im sozialen Bereich aufzeigen. Sozialpolitische Positionen fordern die Politik zum Handeln auf.
Caritas-Kampagne 2024: „Frieden beginnt bei mir“
Frieden und Versöhnung sind der Themenschwerpunkt der Caritas-Kampagne 2024.
In den vergangenen Jahren ist sichtbar geworden, dass Frieden nicht selbstverständlich ist. Viele fragen sich, wie wir mit Konflikten, Streit und Krieg umgehen sollen, und was man selbst tun kann. Dabei ist klar: Frieden beginnt bei mir. In der Art, wie ich mit mir selbst umgehe, mit meinen Freunden, meiner Familie, Kolleg:innen und allen Menschen, denen ich jeden Tag begegne.
Als Caritas stärken wir Menschen, die Unterstützung benötigen und bekämpfen Armut und soziale Chancenungleichheit, damit die Welt ein friedlicher Ort und Versöhnung möglich wird. Jeden Tag aufs Neue ganz konkret.
Wir beraten Familien, damit sie nach Konflikten wieder zu einander finden. Wir begleiten Menschen nach schmerzhaften Verlusten, um wieder Mut zu fassen. Wir helfen denen, die unter gewaltgeprägten Beziehungen leiden, Pläne für ein neues Leben zu machen. Wir schaffen Orte der Begegnung an denen Menschen Gemeinsamkeiten an sich entdecken und ermutigt werden, füreinander zu sorgen. Orte, an denen junge Menschen erleben und erlernen können, wie sie Streit und Konflikte gewaltfrei lösen. Und wir begleiten Menschen und ihre An- und Zugehörigen am Lebensende, damit sie friedvoll Abschied nehmen können.
Frieden stiften und Versöhnen sind für die Gesellschaft und für jede und jeden Einzelnen so wertvoll, weil erst mit Frieden ein glückliches und erfülltes Leben, Chancen auf eine gute Zukunft, der Erhalt unserer Lebensgrundlagen und der Schöpfung und die gemeinsame Bewältigung von Herausforderungen und Krisen möglich werden. Wir wollen jeden Tag ein Ort sein, an dem der Weg zu Frieden und Versöhnung aufs Neue beginnt. Der Wunsch nach Frieden ist größer denn je. Doch wo beginnt er? Wir alle können einen kleinen Teil dazu beitragen. Wie das gelingen kann, zeigen Mitarbeitende der Caritas in Deutschland, Europa und der ganzen Welt – denn sie leisten seit über 125 Jahren Friedensarbeit.
Hier einige von vielen Caritas-Mitarbeitenden, die im Rahmen der Kampagne „Frieden beginnt bei mir“ von ihrer Arbeit berichten. Gemeinsam wollen wir zeigen, dass Frieden bei uns beginnt – bei dir, bei mir, bei uns allen. Ob in der Erziehungsberatung, der Integration von Geflüchteten, der ambulanten Pflege oder im ehrenamtlichen Engagement –
Hilfe, Solidarität und Mitmenschlichkeit sind der Weg zum Frieden.
Uschi leitet eine Caritas-Pflegestation in Bonn. Dort kämpft sie für Menschlichkeit - gegen Einsamkeit und Rassismus. „Was gibt es Schöneres, als Menschen zu helfen?", sagt die 54-Jährige, die seit 30 Jahren in der Pflege arbeitet. Mag sein, dass die ambulante Pflege zuweilen anstrengt und herausfordert. „Aber in der Regel macht es meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genauso wie mir Spaß, weil wir gerne mit Menschen zu tun haben", sagt Uschi. „Oft sind wir am Tag die einzigen Menschen, mit denen unsere Kundinnen und Kunden Kontakt haben.“
Bei Konflikten im Team oder mit Kunden steht Uschis Tür immer offen: Wenn zum Beispiel die Chemie zwischen einer Mitarbeiterin und einer Kundin oder einem Kunden nicht stimmt. „Dann verschaffe ich mir selbst einen Überblick und rede mit den Beteiligten", sagt sie. Im Zweifel teilt sie dann jemand anderes für diese Tour ein.
Sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch schikaniert oder beleidigt werden, setzt sie Grenzen: "Wenn mein Chef mitzieht, kündigen wir, wenn es nicht anders geht, in letzter Konsequenz auch Pflege-Verträge." Das gilt besonders bei rassistischen Entgleisungen. „Ich bin über jeden Mitarbeitenden froh, egal welche Hautfarbe er oder sie hat“, sagt die Pflegeleitung. „Denn wir sind eine vielfältige Gesellschaft, in der wir einander brauchen."
Uschis Ziel ist innerer Frieden, den sie weitergeben und vorleben möchte. „Wer mit sich im Einklang ist, kann den Frieden weitergeben und vorleben”, sagt sie.
Ihr Credo für eine friedliche Gesellschaft: Unterschiede akzeptieren, Herausforderungen annehmen und nicht alles infrage stellen. Frieden ist für sie mehr als die Abwesenheit von Krieg – es ist ein innerer Zustand, den man lernen kann.
Als angehender Suchttherapeut begleitet Elia Menschen auf ihrem Weg zurück zu sich selbst. Dafür braucht es vorurteilsfreie Räume, Perspektivwechsel und die Kraft, scheinbar ausweglose Situationen zunächst ohne Lösung auszuhalten.
„So will ich nicht mehr leben, ich muss etwas ändern.” Dieser Satz beschreibt die Motivation vieler Menschen, die in die Fachklinik Tauwetter bei Bonn kommen. Sozialarbeiter Elia arbeitet dort für den SKM Köln in der Suchttherapie.
„Mich hat immer gestört, welches Stigma der Sucht anhaftet“, erzählt der angehende Suchttherapeut. Sucht werde oft als selbstverschuldet oder Charakterschwäche abgestempelt. Dabei sei es selten eine klare Entscheidung, die in die Sucht führt. Meist entwickle sich eine Sucht in einem komplexen Geflecht aus verschiedenen Lebenslagen, Herausforderungen und Belastungen. „Niemand wird von heute auf morgen freiwillig süchtig”, betont Elia.
„Ich weiß gar nicht, ob ich aktiv Frieden stifte", antwortet Elia auf die Frage nach seinem Beitrag als Friedensstifter in der Suchtarbeit. "Ich versuche nur, die richtigen Fragen zu stellen.” Auf diese Weise könne er bei den Rehabilitand:innen einen Perspektivwechsel erzeugen und ihren Blick auf sich selbst weiten. Denn oft würden sich Verhaltensweisen einschleichen, die quer zu den eigenen Werten und Normen liegen, wie beispielsweise Lügen oder Stehlen. „Das zerreißt die Menschen, weil die Sucht sie dazu treibt”, weiß Elia.
Diese Verhaltensmuster zu verstehen, sie zu durchbrechen und so zu sich selbst zu finden, ist für den jungen Sucht-Therapeuten eine Art Versöhnung mit sich selbst.
Christian ist beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln in der Finanzsachbearbeitung im Bereich Soziale Integration tätig. Als gelernter Bankkaufmann reichen seine Hauptaufgaben von der Initiierung von Anträgen, der laufenden Sachbearbeitung bis hin zur detaillierten Erstellung von Verwendungsnachweisen bei der Bearbeitung von Bundes- und Landesprogrammen im Bereich Integration, Migration und Flucht.
Was hat das mit Frieden zu tun? Eine ganze Menge. Denn mit seiner Arbeit stellt Christian nicht nur die Finanzierung der Migrationsarbeit vor Ort sicher, er gibt Geflüchteten neuen Mut und bringt getrennte Familien wieder zusammen.
Natürlich gebe es auch Herausforderungen, wie in jedem anderen Beruf auch, erzählt Christian. Aber dann könne er sich auf den Zusammenhalt im Team verlassen: „Es ist das kollegiale Miteinander, das es uns ermöglicht, die immer größer werdenden Hürden, Auflagen, Veränderungen und Anforderungen sowohl intern als auch durch Vorgaben von externen Stellen zu meistern.”
Soziales Engagement schafft Frieden
„Mit meiner Arbeit leiste ich jeden Tag einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag”, sagt er. „Ich ermögliche zugewanderten Menschen gesellschaftliche Teilhabe.”
Ina leitet einen von über 50 Child Friendly Spaces in der Ukraine und schenkt Kindern damit eine Oase des Friedens. Die Räume bieten nicht nur Schutz, sondern sind auch Orte des Lernens, des Spielens und der Gemeinschaft. Ina ist selbst vor dem Krieg in der Ukraine geflohen. Sie hatte eine Ahnung, dass der Krieg kommen würde. Alle sprachen davon. Kurz vor dem Einmarsch der Russen reiste sie mit ihren beiden Kindern Anastasia (2) und Ivan (10) von Winnyzja in die Westukraine. Die Grundschullehrerin fand nicht sofort Arbeit und arbeitete vorübergehend an einer Tankstelle. Inzwischen ist sie froh, eine Stelle bei der Caritas gefunden zu haben. „Die Kinder hier geben mir jeden Tag Hoffnung. Wenn ich sehe, wie sie trotz der widrigen Umstände lachen und spielen, dann weiß ich, dass wir etwas Gutes tun.
Der Frieden beginnt hier, in diesem kleinen Garten, in den Herzen dieser Kinder“, sagt Ina.
Als 2014 der Krieg im Osten des Landes ausbrach, richtete die Caritas Ukraine die ersten kinderfreundlichen Räume ein. Seit Februar 2022 wurden in allen Caritas-Niederlassungen, die als Hilfszentren für Binnenflüchtlinge dienen, solche Schutz- und Spielräume eingerichtet. Insgesamt sind es über 50. All diese Child Friendly Spaces sind mehr als nur Orte zum Spielen. Sie sind Oasen der Ruhe in einem Land, das von Krieg und Unsicherheit geprägt ist. Ina setzt sich leidenschaftlich dafür ein, dass Kinder und Jugendliche trotz des Krieges in der Ukraine Kinder sein dürfen und einen Ort haben, an dem sie sich von der chaotischen und kriegerischen Außenwelt erholen können. In diesem kleinen Garten entsteht eine Gemeinschaft, die von Lachen, Spielen und Zusammenhalt geprägt ist. „Hier geht es nicht nur um Spiele und Aktivitäten”, berichtet die Pädagogin. „Es geht darum, den Kindern ein Stück ihrer verlorenen Kindheit zurückzugeben. Wir schaffen einen Raum, in dem sie ihre Sorgen zumindest für eine Weile vergessen können. Das ist Frieden für sie.”
Weitere Infos und Materialien auf der Kampagnenwebsite: www.caritas.de/frieden